Die Bedeutung der biologischen Landwirtschaft am Beispiel des Freiburger Umlands

Ein Interview mit dem Biobauern Michael Müller vom Klosterhof in Gundelfingen bei Freiburg
über Bodenbearbeitung, Schädlingsbekämpfung, Düngung, Klimawandel, Dürre und Flächenverbrauch.

BildFrage: Welche Bedeutung hat die biologische Landwirtschaft?

Michael: Das ist Frage, mit der ich mich schon lange beschäftige. Als Lehrling war ich auf einem relativ großen konventionellen Betrieb. Schon damals war es mir immer sehr suspekt, wie viele Pflanzenschutz- und Düngemittel dort verwendet wurden. Also, ich wollte das in meinem eigenen Betrieb einfach anders machen, und so habe ich mich immer mehr für die biologische Lebensmittelproduktion begeistert, die für mich vor allem ein tolles Handwerk ist.

Frage: Was ist deiner Meinung nach der Vorteil der Biologischen Landwirtschaft gegenüber anderen Methoden?

Michael: Das ist eine komplexe Frage. Ein wesentlicher Vorteil ist die Schonung der Ressourcen. Natürlich verbrauchen auch wir Energie, wenn wir, wie alle anderen, mit dem Traktor pflügen oder Bodenbearbeitung machen. Aber in den chemisch hergestellten Düngemitteln steckt eine riesige Menge an Energie. Und es ist auch nicht nachhaltig, wenn man die Düngemittel am Ende noch teuer aus dem Grundwasser rausfiltern muss oder sie sogar noch später in der Nahrung selbst findet. Die Rückstandsproblematik, eben dass man die Böden und das Grundwasser nicht belastet, ist für die Gesundheit und Lebensqualität der kommenden Generationen von ausschlaggebender Bedeutung!

Frage: Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel für die Böden und Äcker und für die Pflanzen, die auf ihnen wachsen, mit sich? Was bedeutet das ganz konkret für euch in der täglichen Praxis? Vermutlich müsst ihr sehr flexibel sein und euch immer den neuen Situationen anpassen. Wie ist das mit dem Weiterlernen und den immer wieder neuen Ideen?

Michael: Bei uns im Gemüseanbau wird es immer wichtiger, dass man außer der Ackerfläche und anderen Produktionsfaktoren vor allem Zugang zu Wasser hat.
Aber gerade der heiße Sommer 2015 hat uns dabei mengenmäßig ans Limit gebracht.

Frage: Ja, ich erinnere mich daran, wie bei uns in Freiburg die Menschen bei über 40 Grad zur Abkühlung in die Dreisam gegangen sind, obwohl sie kaum Wasser führte.

Michael: In dem Zusammenhang muss man beachten, dass die Brunnen, aus denen wir das zusätzliche Wasser ziehen, aus dem Grundwasser gespeist werden, welches ursprünglich vom Rhein kommt. Dabei besteht sogar die Gefahr, dass das Grundwasser auf seinem Weg Schadstoffe aus dem Freiburger Industriegebiet aufnimmt, die dort vor vielen Jahren deponiert wurden.

Dabei handelt es sich bei uns um eines der fruchtbarsten Gebiete Mitteleuropas überhaupt. Unser Lösslehmboden kann durch seine Kappilarwirkung Wasser aus bis zu 8 Metern Tiefe an die Oberfläche ziehen; eigentlich ohne, dass von oben gegossen werden müsste. Doch jetzt wird es einfach zu heiß und zu trocken.

Frage: Und wie sieht es bei den Schädlingen aus? Werden es eher mehr oder weniger?

Michael: Bei der Schädlingsproblematik zeichnet sich jetzt ab, dass das die Herausforderungen ganz andere als früher sein werden. Wir haben im Moment sehr viele Schädlinge, die vor zehn oder fünfzehn Jahren überhaupt gar keine Rolle spielten, die jetzt aber jedes Jahr riesige, immer größer werdende Schäden anrichten. Die Schädlinge sind von Spanien und Italien bis in den Oberrheingraben hinein gewandert und breiten sich weiter aus. Gerade haben sie Heidelberg, Heilbronn und die Gemüseanbaugegenden am Neckar erreicht. Ich glaube nicht, dass wir Sie so leicht wieder loswerden. Dazu bedarf es einer speziellen Strategie. Im Einzelnen wird noch daran gearbeitet. Ich bin da etwas skeptisch; es handelt sich dabei um komplizierte Zusammenhänge. Aber ich hoffe natürlich, dass eine Lösung gefunden werden kann.

Frage: Bei deiner Führung im letzten Jahr am Tag der offenen Tür auf deinem Hof bei Gundelfingen hast du etwas über die Bestäubung von Tomaten in Gewächshäusern durch Insekten gesagt.

Michael: Ja, dabei handelt es sich um spezielle Hummeln. Sie haben den lateinischen Namen „Bombus Terrestris“. Auf Deutsch heißen sie „Erdhummeln“ – leicht zu merken. Man kann sie von Firmen kaufen, die sich darauf spezialisiert haben, Nützlinge herzustellen. Diese Erdhummeln also kommen per Packetdienst zu uns und sind dann so zwischen sechs und acht Wochen aktiv. Zuerst müssen sie sich im geschlossenen Gewächshaus einfliegen, damit sie auch später nur noch zu den Tomaten und zu keinen anderen Pflanzen gehen und im Bereich des Gewächshauses bleiben. Je nachdem, wie lange man die Tomaten kultivieren möchte, muss man die Hummeln auch mehrmals einsetzen.

Frage: Soviel ich weiß, haben deine Eltern noch konventionellen Anbau betrieben. Was hat bei Dir den Hauptausschlag dafür gegeben, dass du wirklich auf biologische Landwirtschaft umgestellt hast?
Michael: Wie schon erwähnt, war es vor allem das Missbehagen beim Ausbringen von konventionellen Pflanzenschutzmitteln. Der Anwenderschutz, wie man Ihn heute praktiziert – also der Schutz der Menschen, die mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten – war vor zwanzig Jahren in der Praxis noch nicht wirklich gang und gäbe. Also, da hat sich heute sicher schon einiges geändert. Aber wenn man sieht, wie diese Mittel wirken, kann man das nur kritisch betrachten.

Frage: Es gibt ja auch Mittel in der Landwirtschaft, die im Prinzip alles abtöten. Das ist ja sicher ganz schlecht für die Böden, denn die Böden brauchen ja auch die hilfreichen Mikroorganismen.

Michael: Es gibt tatsächlich Pflanzenschutzmittel oder Herbizide, in diesem Falle sind es jetzt Unkrautvernichtungsmittel, die sich im Boden nicht so abbauen, wie es im Labor getestet wurde. Diese Produkte stören dann nachhaltig das Bodenleben und die Fruchtbarkeit. Man nimmt immer wieder eines von ihnen vom Markt, aber tatsächlich ist das Gift dann schon im Boden. Der Ackerboden ist ein äußerst komplexer Organismus. Was da im Einzelnen passiert, versuchen die Agrarbiologen zu erforschen. Meine Erfahrungen kommen da eher aus der Praxis. Aber man kann davon ausgehen, dass es sehr lange dauert, bis so ein Boden wieder wirklich gesund und aktiv ist.

Frage: Kannst Du einen ungefähren Zeitraum nennen, bis so ein Boden, der im Wesentlichen tot war, wieder aktiv wird?

Michael: Das kommt ein wenig darauf an, wie intensiv man da mit Kompost und den sehr bindungsfähigen Huminsäuren arbeitet. Diese können die Pflanzenschutzmittel, beziehungsweise deren Zerfallsprodukte, praktisch neutralisieren. Aber, man muss da selbst aktiv werden und versuchen, das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Dazu ist dann auch eine sehr arbeitsintensive mechanische Unkrautbekämpfung nötig. Da kann niemand hunderte von Hektar alleine machen. Dafür braucht man viele Mitarbeiter. Aber das ist mir auf jeden Fall viel lieber, als alles so zu lassen…

Frage: Ich kann mich noch daran erinnern, dass Du einer der ersten Biobauern in Freiburg warst. Inwieweit hat sich die Szene im Biolandbau in all den Jahren verändert?

Michael: Ganz generell sind wir in den letzten zwanzig Jahren natürlich viel professioneller geworden. Vor allem, wenn ich mir jetzt unser Gemüse oder unser Obst angucke, das wir auf unserem Südhof ernten, muss ich immer wieder selbst staunen. Mal abgesehen von der Bio-Qualität, der Gesundheit und dem Geschmack haben wir vor allem bei der Optik mordsmäßig nachgelegt! Da erkennt man keinen Unterschied mehr zum tollsten Supermarkt. Das ist natürlich auch ein wenig der Situation um Freiburg herum geschuldet, da es hier circa siebzig Bioland-Produzenten gibt, die alle miteinander im gesunden Wettbewerb ihre Kunden suchen. Die gute Qualität macht die Sache ein wenig aufwändiger. Also, mit ungewaschenem Gemüse braucht man heute gar nicht mehr auf den Markt fahren; das war am Anfang noch ganz normal.
Dann ist auch die Kühlung wegen der Frische wichtig. Früher habe ich oft noch samstags frühmorgens frisch geerntet. Aber, wenn es dann nicht gekühlt wurde, sah es mittags schlechter aus, als wenn ich es schon am Freitag geerntet und anschließend gekühlt hätte. Durch die Kühlung wird alles einfacher. Und vor allem hält die Ware am Samstag länger. Aber so ist das, man lernt immer weiter dazu!

Frage: Fällt Dir noch irgendetwas ein, was Dir besonders wichtig und bei dem ganzen Thema besonders auf dem Herzen liegt?

Michael: Also, was mir am meisten am Herzen liegt, aber auch am meisten Kopfzerbrechen macht, ist der Siedlungsdruck um Freiburg herum und der damit verbundene immense Flächenverbrauch. Einerseits ist Freiburg ein toller Absatzmarkt für uns. Aber durch den Zuzug von immer mehr Menschen und der bereits bestehenden Wohnungsnot gibt es immer mehr große Bauprojekte. Es ist klar, dass uns dadurch auch die landwirtschaftlichen Flächen nach und nach verloren gehen.
Wenn man sich vorstellt, dass es in den nächsten dreißig Jahren mit dem Flächenverbrauch so weiter geht wie in den vergangenen dreißig Jahren – dann wird das richtig eng hier!

Frage: Oder man geht ein bisschen weiter außerhalb?

Michael: Allerdings ist das leichter gesagt, als getan. Wenn Gundelfingen z. B. weiter in meine Ackerflächen hineinwächst, bekomme ich dennoch kein Land in den umliegenden Gemeinden. Ich bin dort ja nicht daheim, sondern sozusagen ein Außenstehender. Und es ist ja nicht gerade so, dass sich die Besitzer freuen würden, wenn da einer kommt, der ihr Land für den Gemüseanbau kaufen oder pachten möchte. Die Eigentümer haben vielleicht ganz andere Überlegungen.
Tatsache ist, dass auf der Linie Freiburg/Offenburg von 60 Kilometern nur noch 15 Kilometer ohne Bebauung sind. Wenn der Flächenverbrauch, wie er in den letzten dreißig Jahren praktiziert wurde, so weitergehen sollte, zerstören wir auch den wunderbaren landschaftlichen Charakter des Oberrheingrabens! Und wir gefährden darüber hinaus die regionale Versorgung mit frischen Lebensmitteln…

Die Fragen stellte Nora Gaus am Rande des Bauernmarktes in Freiburg-Wiehre.

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